Zeitzeuginnen im Gespräch

Köln war eine der Hochburgen der Neuen Frauenbewegung der 1970er Jahre. Aus den bundesweiten Protesten gegen den Paragrafen 218 entwickelte sich schon bald auch in Köln eine lebendige Frauen(-streit)kultur. Schon früh gab es hier gleich zwei Frauenzentren, einen Frauenbuchladen und nicht zuletzt den Kölner Frauengeschichtsverein. In Köln wurde das erste autonome Frauenhaus gegründet, hier trat mit Lie Selter die erste kommunale Frauenbeauftragte der Bundesrepublik ihr Amt an.

Wer waren diese Frauen, die das alles bewegt haben, deren Aktionen zum Teil weit über Köln hinaus Wirkung zeigten und von deren Erfolgen wir heute profitieren können?

In unserer Reihe „Zeitzeuginnen im Gespräch“ kommen sie in Bild und Ton zu Wort. Sie erzählen die Geschichte der Kölner Frauen-Lesben-Migrantinnenbewegung aus ihrer Perspektive, was sie selbst dazu beigetragen haben, was sie damals angetrieben hat und wofür sie sich bis heute als Feministinnen engagieren.

Ab Februar 2021 stellen wir Ihnen monatlich eine der Pionierinnen vor, wobei ältere (oder kranke) Frauen den Anfang machen. Die Reihe bergann mit der ehemaligen Staatssekretärin im NRW-Gesundheitsministerium, Marlis Bredehorst, die wir noch kurz vor ihrem Tod (am 11. Oktober 2020) zu ihrem frauenpolitisch bewegten Leben befragen konnten. Es folgten die Journalistin Unge von Bönninghausen und die Publizistin Claudia Pinl, die schon bei den ersten § 218-Demos aktiv dabei war und zuletzt als Bezirksvertreterin mit dafür gesorgt hat, dass einige Straßen im Bezirk Lindenthal nach prominenten Kölnerinnen benannt wurden. Die Hochschullehrerin Natascha Würzbach hatte bereits im vor-digitalen Zeitalter eine Datenbank für Gender-Forschung begründet usw.

In dem youtube-Channel findet sich jeweils ein ca. 15minütiges Video-Interview, hier können Sie eine Kurzbiografie der jeweiligen Zeitzeugin als pdf lesen bzw. downloaden. Die ungekürzte Fassung der Gespräche von jeweils einer Stunde kann – nach vorheriger Anmeldung – zu Forschungszwecken in unserem Archiv eingesehen werden.

Das Zeitzeuginnenprojekt wurde für den Kölner Frauengeschichtsverein von Monika Mengel und Gabriela Schaaf initiiert.

Beteiligte sind Gabriela Schaaf (Redaktion), Monika Mengel und Cornelia Schäfer (Interviews), Claudia Meyer (Aufnahme), Richard Hofer (Schnitt, Montage)  und Irene Franken (Recherche).

Irene Franken im Gespräch

Der neue Beitrag in der Reihe Zeitzeuginnen der Kölner Frauen-/Lesbenbewegung im Gespräch stellt Irene Franken vor, die 1985 eine Initiatorin des Kölner Frauengeschichtsvereins ist und seitdem zu Tage fördert, was die Stadt Köln den Frauen zu verdanken hat, aber auch welche Täterinnen es hier gab. Im Kontext des Vereins, der bald zum „Gedächtnis der Frauen Kölns“ avancierte, entwickelte sie Rundgänge, mischte sich in die Frage der Repräsentation von Frauen im Stadtbild ein und wirkte federführend daran mit, dass 18 statt fünf Frauen auf den Ratsturm zu stehen kamen. Unter den zahlreichen Auszeichnungen sind u.a. der Rheinlandtaler (1997 als Vorstand), der Inge-von-Bönninghausen-Preis (2004) und die Kölner alternative Ehrenbürgerschaft (2017) zu nennen. Nach wie vor ist sie Motor und Impulsgeberin für den Kölner Frauengeschichtsverein und mit ihrem immensen Wissen selbst eine unschätzbare, historische Quelle.

Claudia Friedrich – Juni 2023

Claudia Friedrich ist bekannt als arrivierte sensibel-kluge Radiojournalistin und als Fotografin. Sie erzählt im Interview aber auch über ihre Zeit als Hausbesetzerin und Kulturschaffende  in der DDR (s. Bild) bis zu ihrer Ausreise um Januar 1987. Im Westen engagierte sie sich u.a. im Kölner Bürgerfunk, seit 1992 bei „Radio Lästerher(t)z“. Gemeinsam mit Katerina Katsatou verantwortete sie das Programm dieses inzwischen eingestellten, aber immer noch legendären Frauen- und Lesbenradios.

2006 feiert Lästerher(t)z Abschied. Was bleibt, sind zwei Preise, die die Landesanstalt für Medien jährlich vergibt, im Jahr 2000 für Entschädigung jetzt!, eine Sendung über Zwangsarbeit im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, zwei Jahre später für die O-Ton-Collage über eine der ersten Verpartnerungen in Köln (Verliebt – Verlobt – Verpartnert). Der Bestand an Bändern ist digitalisiert und wird ca. 2024 über die Seite des Frauengeschichtsvereins online zu hören sein.

Carolina Brauckmann – Mai 2023

Carolina Brauckmann ist eine vielfach begabte Persönlichkleit. Seit vierzig Jahren bespielt Carolina Brauckmann Bühnen im deutschsprachigen Raum – mit ihren zeitlosen, politischen Songs nimmt die lesbische Sängerin einen festen Platz in der feministischen Kulturgeschichte ein. Sie arbeitete als Historikerin und erforschte die Freiburger Frauengeschichte. 1989 kam sie an das Feministische Archiv- und Dokumentationszentrum nach Köln, heute Frauenmediaturm,  – und blieb in der Stadt. Seit 2003 ist die lesbisch-feministische Aktivistin Mitarbeiterin im Kölner LGBTIQ-Beratungszentrum „rubicon“.  2003 wurde die Liedermacherin und Aktivistin für ihr lesbenpolitisches Engagement mit dem renommierten Rosa-Courage-Preis geehrt.

Dr. Eva Weissweiler – April 2023

Dr. Eva Weissweiler ist eine Kölner Musikwissenschaftlerin, Schriftstellerin und Redakteurin. 1951 in Mönchengladbach in eine Kaufmannsfamilie geboren, konnte sie ein Gymnasium besuchen und Musikinstrumente lernen, schrieb aber auch gern Texte. Bereits beim Studium der Musikwissenschaft, Germanistik und Orientalistik in Bonn bemerkte sie, dass von Komponistinnen nie die Rede war, und begann, nach ihnen zu suchen. Am Wohnsitz Köln bekam sie Zugang zu Hörfunksendern und der „Emma“, schrieb 1981 eine Kulturgeschichte der Komponistinnen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. – Gemeinsam mit der Dirigentin – und Freundin – Elke Mascha Blankenburg organisierte sie Festivals, auf denen ausschließlich Musik von Frauen aufgeführt wurde. Des Weiteren organisierte sie sich im “Internationalen Arbeitskreis Frauen und Musik”, gemeinsam mit anderen Musikerinnen aus Oper und Orchestern, Musikpädagoginnen, Solistinnen, Komponistinnen und Dirigentinnen.

Inge Rethfeldt – Februar 2022

Durch Erzählungen der Übersetzerin und Soziologin Inge Rethfeldt, geboren im Juni 1943, wird die Zeit des Frauenwiderstandscamps im Hunsrück (1983-1993) wieder lebendig: Jeweils sechs Wochen lang trafen sich jedes Jahr bis zu 2000 Frauen aus  Europa auf „Adeles Wiese“ in Reckershausen bei Simmern. In ihren politischen Aktionen machten sie immer wieder deutlich, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen „Militär und Männer-Gewalt“ zwischen toxischer Männlichkeit und Gewalt gegen Frauen – auch im Frieden. Mit dieser feministischen Analyse setzte das Frauenwiderstandscamp ganz eigene Themen in der Widerstandskultur der 1980er Jahre.

Prof. Dr. Sabine Scheffler – Januar 2023

Nicht die Frau ist „behandlungsbedürftig“, die krank machenden Verhältnisse sind zu verändern! Mit der Entwicklung feministischer Psychotherapie und frauenspezifischer Beratung hat die Psychologin Prof. Dr. Sabine Scheffler das Empowerment von Frauen befördert . Als Kind erlebte sie (Jg. 1943) die Evakuierung und das Ungehaustsein der Eltern. Als Mädchen empörte sie die Bevorzugung von Brüdern und Vater. Erst in Köln, wohoin sie 1971 nach ihrem Psychologiestudium in Bonn und Berlin kam, fand sie in der Frauenbewegung ein Milieu, dem sie sich zugehörig fühlen konnte. “… jetzt hatte ich zum ersten Mal so richtig das Gefühl: ‘Hier bist du richtig! Hier weißt du aus Erfahrung, worum es geht. Hier kannst du was tun!'” Sie entwickelte u.a. mit anderen therapeutisch engagierten Feministinnen eine frauenspezifische Psychotherapie.

Dr. Lale Akgün – Dezember 2022

Dr. Lale Akgün – Als in Köln bei der Familienberatung der Stadt eine Psychologin mit türkischen Sprachkenntnissen gesucht wurde, nahm Lale Akguen diese Chance wahr. 1953 in Istanbul geboren, zog sie mit ca, neun  Jahren nach Deutschland. In Marburg studierte sie Medizin, Völkerkunde und Psychologie, nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an und beendete 1981 ihr Studium als Diplom-Psychologin.- Mit der “Initiative säkularer Islam” setzt sie sich seit längerem in der kritischen Islamkonferenz für einen Verband liberaler Muslime ein. Als Autorin veröffentlichte sie u.a. „Aufstand der Kopftuchmädchen. Deutsche Musliminnen wehren sich gegen den Islamismus“ (2011) und „Platz da! Hier kommen die aufgeklärten Muslime. ” Ihr autobiografischer Text “Tante Semra im Leberkäseland” wurde verfilmt. Sie erklärt heute u.a.  verborgene Ziele der Ditib-Moschee für eine aufgeklärte Stadtgesellschaft.

Dr. Birgit Palzkill – November 2022

In den 1970er Jahren gehörte Birgit Palzkill sowohl in der Leichtathletik als auch im Basketball zum deutschen Nationalteam. Ende der 1980er Jahre hinterfragte Birgit Palzkill in einer bahnbrechenden sportsoziologischen Studie die Rolle von Frauen im männerdominierten Leistungssport und speziell die Entwicklung lesbischer Identität im Sport. Mit dieser wegweisenden Publikation wurde eine gesellschaftlich wichtige Debatte ins Rollen gebracht. – Dr. Birgit Palzkill’s umfangreiche Expertise zu Themen wie „sexualisierte Gewalt im Sport“ und „geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in der Schule“ ist bis heute in der Beratung und Fortbildung von Schulen und Sportorganisationen sehr gefragt. 

Prof. Dr. Elizabeta Jonuz – Oktober 2022

Die Romnja Prof. Dr. Elizabeta Jonuz berichtet über ihre Migrations- und Bildungsgeschichte, ihre ‘feministische Sozialisation’, und auch Erfahrungen mit Rassismus. Elizabeta Jonuz kämpfte zeitlebens gegen Klischees, legte sich auch mit weißen deutschen Feministinnen an, die meinten, Roma-Frauen seien in besonderer Weise patriarchalisch unterdrückt.U.-a. organisierte sie zusammen mit anderen migrantischen Feministinnen eine Tagung mit dem Titel „Upre romnja!“, auf Deutsch: “Auf, auf, Romnja!”- „Ermächtigt euch! Holt euch die Macht, die euch auch zusteht und holt euch dafür Unterstützung!“ ist ihr Appell an junge Romnja und Sintize.

MAF Räderscheidt – September 2022

Maf Räderscheidt, Enkelin einer Künstler*innenehe, besonders ihre Großmutter Marta Hegemann beeindruckte sie tief. Die Kölnerin wurde Meisterschülerin an den Kölner Werkschulen, ab den 1970ern trat sie als feministische und ökologische Aktivistin hervor. Die Malerin, Radiererin, Performerin entwarf in den 1980ern neben zahlreichen eigenen Ausstellungen Bühnenbilder für die schwul-lesbische „Rosa Sitzung“. Sie war für Zeitschriften der autonomen Frauenbewegung als Illustratorin und Autorin tätig. Bis heute gilt sie als Mahnerin vor der Klimakatastrophe, kämpft mit den Mitteln der Kunst gegen Kernkraft, Gewalt an Frauen und Kindern und ist außerdem aktiv im Tierschutz.

Katja Mildenberger  – Juli 2022

Politisch Stellung zu beziehen und dem Mainstream etwas entgegenzusetzen, – das hat Katja Mildenberger früh gereizt. 1983 veranstaltete sie mit Kommilitoninnen ein Frauenfest, auf dem auch Filme von Frauen gezeigt wurden, diese fanden großen Anklang. Das motivierte Katja Mildenberger und ihre Mitstreiterinnen, über ein Festival nachzudenken, das speziell dem Frauenfilm gewidmet sein sollte. Auf der Feminale konnten fortan Filme über Geschlechterrollen, Unterdrückung von Frauen, Transgender-Themen, das Leben der Müttergeneration, auch Pornofilme aus lesbischer oder heterosexueller weiblicher Perspektive betrachtet werden.

Dr. Maria Beckermann – Mai 2022

Die aufgrund ihrer Fachbücher bundesweit bekannte feministische Gynäkologin Dr. Maria Beckermann berichtet von ihrem Werdegang. In einer niedersächsischen Kleinstadt geboren, machte sie das Studium der Frauenheilkunde an der Universität zu Köln zur Feministin. Als solche beteiligte sie sich an Aktivitäten des Frauenzentrums Eifelstraße, war dann eine der Initiatorinnen des Frauenprojektes „Frauen lernen leben“, heute „FrauenLeben e.V. – einer psychozozialen Beratungsstelle. – Besonders stolz ist Dr. Beckermann auf die Veränderungen im Umgang mit Frauen in der Gynäkologie. Nicht mehr Bevormundung, sondern verständliche Informationen als Basis für selbstständige Entscheidungen stehen in der Behandlung heute im Vordergrund. Dazu hat sie maßgeblich beigetragen.